Jüdische Geschichte im Westmünsterland
Vortrag von Dr. Timothy Sodmann beim Jugendgeschichtspreis der GhL 2006
Vortrag von Dr. Timothy Sodmann beim Jugendgeschichtspreis der GhL 2006
14. November 2006
„Die Juden und ihre Emanzipation im Westmünsterland und im Achterhoek und Liemers bis zum 19. Jahrhundert”
Vortrag von Dr. Timothy Sodmann
Der Ausschuss für deutsch-niederländische Zusammenarbeit und die Gesellschaft für historische Landeskunde hatten gemeinsam zu einem Vortrag über einen besonderen Aspekt der deutsch-niederländischen Geschichte eingeladen: Dr. Timothy Sodmann, Leiter des Landeskundlichen Instituts Westmünsterland, sprach im Anschluss an die Preisverleihung über Die Juden und ihre Emanzipation im Westmünsterland und im Achterhoek und Liemers bis zum 19. Jahrhundert. Ein höchst spannendes Geflecht der Bezüge zwischen der Region und den Juden zeichnete er durch die Jahrhunderte nach.
Schon aus dem Jahre 321 gibt es erste überlieferte Hinweise auf Juden in der Stadt Köln, die dann im Hochmittelalter zur größten jüdischen Gemeinde unseres Raumes wurde. Nach den recht spärlichen Quellen zu urteilen, gab es in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Achterhoek-Liemers und im Westmünsterland zumindest kleinere jüdische Gemeinschaften in Doesburg (1185), Groenlo (1285), Bergh (1296), Vreden (1306), Borken (1327), Lochem (1332), Zutphen (1340) und Wisch (1349).
Das aufblühende jüdische Leben in Westfalen und den östlichen Niederlanden wurde in den Sommermonaten des Jahres 1350 mit einem Schlag vernichtet. In den bis zu jener Zeit schwersten Pogromen zwischen 1348 und 1350 wurden sie beschuldigt, durch Vergiftung der Quellen und Brunnen die damals verheerende Pestepidemie verursacht zu haben.
Doch schon im 16. Jahrhundert lässt sich an einzelnen Orten die Ansiedlung von Juden erneut im westmünsterländisch-ostniederländischen Raum nachweisen: Borken 1550, Werth 1557, Raesfeld 1559, Gemen 1560, Bocholt 1562, Bergh und Zutphen 1567, Nienborg 1572, Rhede 1575.
Wie in weiten Teilen Westeuropas siedelten auch im Achterhoek-Westmünsterland die Juden im 17. und 18. Jahrhundert überwiegend stark zerstreut in Dörfern und Flecken auf dem Lande oder in Klein‑ und Landstädten. Obwohl nicht völlig frei in der Wahl ihrer Unterkunft, so wohnten sie doch hier in unmittelbarer Nachbarschaft zur christlichen Bevölkerung in kleinen Gemeinschaften. Größere jüdische Gemeinschaften bilden vom Ende des Dreißigjährigen Krieges bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts die Ausnahme.
Während in den Niederlanden die Emanzipation der Juden unter dem direkten Einfluss Frankreichs relativ früh durchgeführt wurde, verlief die Entwicklung im Westmünsterland erheblich langsamer. Nach Auflösung des Königreichs Westfalen wurden in der nun preußischen Provinz die Juden „in eben der Lage belassen, in welcher sie bei der Okkupation angetroffen waren“. Erst durch das am 3. Juli 1869 vom preußischen König als Präsident des Norddeutschen Bundes unterzeichnete Gesetz wurden die noch bestehenden, aus der Verschiedenheit des religiösen Bekenntnisses hergeleiteten Beschränkungen der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte aufgehoben. Seit 1871 galt diese Bestimmung für das Deutsche Reich. Die Emanzipation, die völlige bürgerliche Gleichstellung war damit auch bei uns erreicht. BW
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